Das Rottenburger Modell steht nicht zur Disposition

Im Juli 2020 wurde von der Kleruskongregation im Vatikan die Instruktion „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ veröffentlicht. Das Schreiben aus Rom hatte die deutschen Bischöfe wie auch die engagierten Laien überrascht. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Abschnitten, die sich teilweise diametral widersprechen.

So werden im ersten Abschnitt viele wichtige Zukunftsfragen benannt, unter anderem die Aspekte Mobilität und digitale Kultur, die auch Kirchengemeinden vor besondere Herausforderungen stellen.

Aktivitäten, die das Leben der Menschen nicht berühren, seien nicht der Weg, den wir gehen müssten, auch die Forderung nach „Verjüngung des Antlitzes der Kirche“ und nach „Erneuerung der traditionellen Strukturen“ sei zu unterstützen. Dazu bedürfe es einer „Mentalitätsänderung“ und einer „inneren Erneuerung“ vor allem derer, die in die Verantwortung der pastoralen Leitung berufen worden sind, was nicht nur den Pfarrer, sondern auch das Volk Gottes betreffe. „Wenn wir uns vom Leben des Volkes Gottes entfernen, werden wir trostlos und verkehren wir das Wesen der Kirche“, so das Papier.

Ausdrücklich solle eine „Klerikalisierung der Pastoral“ überwunden werden, die Priester sollten die „Partizipation des Volkes Gottes“ fördern.

Umso unverständlicher mutet es an, dass im zweiten Abschnitt von der Kleruskongregation gemeinsame Formen der Leitung abgelehnt werden;

die Leitung wird ausdrücklich dem Pfarrer, der geweihter Priester sein muss, zugewiesen. Laien sollen demnach allenfalls wegen Priestermangels beteiligt werden.

Mit dem Schreiben der Kleruskongregation wurde die Frage aufgeworfen, ob das sogenannte „Rottenburger Modell“ nun nicht mehr praktiziert werden kann.

Wenige Tage nach Veröffentlichung des Schreibens der Kleruskongregation haben Bischof Dr. Gebhard Fürst und ich in meiner Funktion als Sprecher des Diözesanrats in einer Pressemitteilung klargestellt, dass das „Rottenburger Modell“ nicht zur Disposition steht. Es sieht, auch entsprechend den Vorgaben des Staats-Kirchenrechts, als Regelfall eine Teilhabe der Laien in Gremien vor, die die Funktion des Katholikenrats, des Pastoralrats und der Kirchensteuerver-tretung zugleich innehaben. Der Diözesanrat wird beispielsweise vom Bischof als Vorsitzenden geleitet, die Zusammenarbeit gestaltet sich vorbildlich und dient in hervorragender Weise der Erfüllung des kirchlichen Auftrags.

So ergänzen sich in der Leitung die jeweiligen Kompetenzen von Priester und Laien und eröffnen segensreiche Gestaltungsmöglichkeiten.

Den seit 50 Jahren bewährten Weg der Mitwirkung und Mitverantwortung von Laien bei der Führung von Diözese, Dekanaten und Kirchengemeinden werden wir daher weiter beschreiten.

Die im „Rottenburger Modell“ festgeschriebene starke Beteiligung der Laien in all unseren Gremien bis zum Diözesanrat, der bei uns auch das Haushaltsrecht hat, ist ein großer Vorteil für unsere Ortskirche – und sie ist eine klare Konse-quenz aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Der Diözesanrat hat unsere Haltung in seiner Vollversammlung Ende Juli 2020 ausdrücklich mitgetragen.

Der im Frühjahr 2020 gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eingeschlagene Synodale Weg ist zudem die richtige Antwort auf die großen Herausforderungen, vor denen die katholische Kirche steht.

Bildquelle: drs

Bischof Dr. Fürst hat im Juli ein Schreiben an die Gewählten Vorsitzenden der mehr als 1.000 Kirchengemeinden in der Diözese gesandt. Sein Anliegen war, ihnen damit ganz bewusst den Rücken zu stärken, verbunden mit einem „großem Dank für ihr ehrenamtliches Engagement“.

Ich bin der Auffassung, dass die Teilhabe der Laien an der Leitung der Kirche auch eine spirituelle Dimension hat:

Gott lässt uns teilhaben an seinem Schöpfungswerk. Daher sehe ich die Gemein-schaft in Leitungsfragen als Erfüllung seines Willens.

Es geht jetzt darum, Frauen und Männer für sinnvoll konzipierte Leitungsauf-gaben ausdrücklich zu motivieren und zu unterstützen und sie nicht durch allzu enge Vorgaben vor den Kopf zu stoßen.

Johannes Warmbrunn