Das Neue Testament hält ein farbenreiches, vielschichtiges, großformatiges Bild der Apostel Petrus und Paulus fest. Es leugnet die Unterschiede zwischen beiden nicht, sondern arbeitet sie plastisch heraus.
- Der eine stammt aus Galiläa, der tiefsten jüdischen Provinz, der andere aus Tarsus, einer pulsierenden Stadt der hellenistischen Diaspora;
- Der eine ist Fischer vom See Genezareth, der andere jüdischer Intellektueller, Schüler Gamaliels II.
- Erster der Zwölf ist der eine, letzter der Apostel der andere;
- Mitglied der Jerusalemer Urgemeinde der eine, hinzugewonnenes Mitglied der Kirche von Damaskus, hernach von Antiochia der andere;
- Integrationsfigur der eine, Polarisationsfaktor der andere.
Aber beide haben wesentliche Gemeinsamkeiten:
- Beide sind Juden.
- Beide haben ein ehrbares Handwerk erlernt.
- Beide haben ihre dunkle Stunde gehabt.
- Beide glauben an Jesus den Christus, seine Gottessohnschaft, seinen Tod und seine Auferstehung.
- Beide sind zur Verkündigung berufen, wenngleich zu unterschiedlichen Zeitpunkten, auf unterschiedlichen Wegen und mit unterschiedlichen Zielen.
- Beide sind offen für die Mission unter Gottesfürchtigen und Heiden – zögernd der eine, energisch der andere.
- Beide sind weite Wege der Mission gegangen, beide sind in Rom unter Nero als Märtyrer gestorben.
Die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen beiden Aposteln haben das Christentums vorangebracht und getragen.
Die Kirche geht auf Jesus von Nazareth zurück. Jesus selbst, so im Neuen Testament geschrieben, hat die Geschichte der Kirche an sie gebunden, an Petrus durch die Berufung am See Genezareth und die Neuberufung im Zuge seiner Auferstehung, an Paulus – den Eiferer des Gesetzes und leidenschaftlichen Liebhaber Gottes – durch die Bekehrung von der religiösen Gewalt und die Berufung zum Apostel der Völker.
Petrus war ein unangreifbarer Apostel, dem Paulus ins Angesicht widerstanden hat, Paulus ein umstrittener Apostel, den Petrus anerkannt hat. Paulus musste sich verteidigen, erklären, darstellen – und hat es genutzt, um an seiner Person die Prägung durch Christus darzustellen; Petrus konnte sich auf Jesus selbst berufen – und hat vielleicht deshalb keine einzige Zeile hinterlassen, aber anderen ermöglicht, von Jesus zu erzählen, seinem Tod und seiner Auferstehung.
Ebenso kennzeichnend sind die Metaphern, die beide Apostel ins Bild setzen.
„Fels“ ist der eine. So wie nach dem Prophetenbuch des Jesaja Abraham der „Fels“ ist, aus dem Israel „gehauen“ wurde (Jes 51,1f.), so ist Petrus nach dem Matthäusevangelium der „Fels“, auf dem die Kirche steht. Dieser Fels wackelt, aber er bricht nicht zusammen. Das ist die Verheißung, von der die Kirche lebt, jenseits aller Erfolge und Misserfolge. „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18).
„Licht“ ist der andere. „Ich habe dich zum Licht für die Völker gemacht“, so beschreibt Paulus – laut der Apostelgeschichte (Apg 13,47) – bei seiner ersten Predigt seine Berufung zum Apostel mit Worten des Jesaja (Jes 42,6; 49,6). Dieses Licht flackert, aber erlischt nicht. Das ist die Hoffnung, von der die Kirche lebt, jenseits aller Erwartungen und Enttäuschungen: „Zum Heil sollst du sein bis ans Ende der Welt“ (Apg 13,47)
Und ein Dritter kommt ins Bild, der eigentlich vor den beiden stand: Johannes der Täufer. Er ist „die Stimme des Rufers in der Wüste“ er „knickt das Rohr nicht ab und löscht den glimmenden Docht nicht aus“.
Johannes, der Jesus begegnet und sich in Bewegung setzen lässt, bevor er geboren wurde. Er, der als Vorläufer Jesu bezeichnet wird, der auf ihn hindeutet. Der genau um seinen Platz weiß. „ER war vor mir und ich bin es nicht wert ihm die Sandalen zu lösen“. Johannes macht Jesus bekannt und deutet „auf ihn, der unerkannt unter den Menschen stand“. Er zeigt auf „das Lamm Gottes“.
Petrus begleitet im Kreis der Apostel Jesus und beide, auch Paulus, verkünden ihn und die Frohe Botschaft des Glaubens. Peter G. Marx, Pfarrer