zugesendeter Beitrag an die Redaktion

Hallo ihr Lieben,

ihr kennt mich sicher alle, aber besonders beachtet werde ich meist nicht. Das ist erstaunlich, denn ich bin in meiner Kirche ganz vorne. Da bekomme ich auch vieles mit, was so passiert.

Ich werde nur bei den großen Gottesdiensten benötigt, wenn die Kirche so richtig voll ist oder wenn viele Beteiligte dabei sind, die nicht alle oben im Altarraum sitzen können. Das war im letzten Jahr wie ich mich erinnere nur bei den Stern-singern der Fall und bei der Erstkommunion, die auf Anfang Oktober verschoben worden war.

Aber mitbekommen tu‘ ich viel. Ich kenne jeden Pfarrer der unsere Gottesdienste leitet. Natürlich auch die Leiter*innen der Wortgottesdienste. Die sitzen auch schon mal bei mir. Und Anton Durner hat es früher auch viel gemacht, wenn er mitzelebriert hat. Dann konnte er die Predigt seiner Kollegen besser miterleben. Nur wenn die Gottesdienste im Kreis, hinten in der Kirche, stattgefunden haben, konnte ich nicht alles mitbekommen. Dafür sind dann aber die Teilnehmer*innen im Laufe dieser Feiern ganz nah bei mir vorbeigekommen. Das war immer ganz lebendig und jedes Mal anders.

Und dann ist alles anders geworden. Plötzlich war totale Ruhe in der Kirche. Es fand kein Gottesdienst mehr statt. Doch es kamen immer wieder Leute aus meiner Gemeinde, die einfach in meiner stillen Kirche gesessen oder gekniet sind. In der Regel bleiben diese Betenden immer weiter hinten. Ich weiß gar nicht, warum sie nicht zu mir kommen!

Doch hören kann ich alles. Die Menschen, die in die Kirche kommen, bringen all ihre persönlichen Anliegen hierher: Trauer, Verzweiflung, Not. Hier ist der Ort um Wut in Worte zu fassen, stille Schreie nach Hilfe zuzulassen. Da lastet schon mal viel Gewicht auf mir. Dann denke ich, gut, dass es diesen Ort gibt. Hier können Menschen ihre schwere Last ablegen und ihnen ist es möglich, danach wieder weiterzumachen.

Aber auch Dankbarkeit und Dank für überstandene Situationen habe ich viel gehört. Außerdem wurde ich zur Ablage für Texte und Gebete. Zu Ostern konnte ich sehen, wie in einer Schale vor dem Altar Weizenkörner aufgegangen sind und zu einem grünen Buschen wurden. Aber insgesamt war schon wenig Leben hier.

Während keine Gottesdienste mehr stattfanden, da habe ich auch mitbekommen,

dass draußen viele Menschen schwer erkrankt sind. Nicht wenige sind daran gestorben. Jetzt haben die Menschen Angst sich anzustecken. Sie sollen mög-lichst keine Kontakte mehr außerhalb der Familie, der Arbeit und beim Ein-kaufen haben und sich höchstens zum Spazierengehen mit Abstand verabreden. So kam es auch, dass mehrmals während einer Woche im Monat Familien in die Kirche gekommen sind, die den „Gottesdienst auf dem Weg“ gemacht und die letzte Station hier abgeschlossen haben.

Aber nach langer Zeit sind plötzlich ein paar eifrige mit Masken vor dem Gesicht gekommen und haben Bänke gesperrt und Sitzplätze eingeteilt, Laufwege auf dem Kirchenboden festgelegt. Ich dachte schon, was ist denn jetzt los?

Dann wurden wieder Gottesdienste gefeiert. Aber es kamen nur wenige Leute,  weil sie draußen alle aufgeschrieben wurden. Sie mussten Masken tragen, sich die Hände desinfizieren und durften sich nur an bestimmte Plätze setzen. Und stellt euch vor, jetzt durften sie nicht mehr singen! Ein Gottesdienst ohne Gesang!

Ab und an haben welche draußen vor der Kirche gefeiert. Ich habe es an der Umtriebigkeiten vor dem Gottesdienst gemerkt und am Gesang von draußen gehört. Ich habe auch mitbekommen, dass für jeden Teilnehmer eine Tüte gepackt wurde. Alle haben etwas bekommen, das sie mit heimnehmen konnten. Damit konnte der Gottesdienst nachklingen. Tja, in solchen Zeiten ist es schön, wenn es mal was Neues gibt. Was für mich allerdings nicht zu fassen ist, dass die Leute auf Bierbänken saßen.

Wenigstens das mit der Musik ist inzwischen ganz gut geworden. Die Orgel darf jetzt ganz alleine musizieren und keiner singt falsch dazwischen. Und dass wir so tolle Sänger*innen haben, die stellvertretend für die ganze Gemeinde singen, freut mich sehr.

Schön ist ja jetzt auch, wenn ich nach jedem Gottesdienst ganz liebevoll desinfiziert und anschließend nochmals mit einem Frotteetuch gestreichelt werde. Das ist schon etwas Anderes, als sonst nur die Last der Betenden mittragen zu müssen.

Weniger angenehm ist, dass nur noch ganz wenig geheizt wird. Wenn es unter mir so kuschelig warm wurde, habe ich das immer sehr genossen. Und jetzt, wenn alle sich warm anziehen müssen, kann ich die Leute vor lauter Vermum-mung fast gar nicht erkennen. Eins muss ich sagen. Alle strengen sich sehr an, dass hier in meiner Kirche sich niemand anstecken kann. Ich weiß, dass viele wegen des Risikos nicht mehr hierher kommen. Diese Sorge kann ich auch gut verstehen.

Doch ich hoffe, dass es bald wieder anders wird. Mir fehlen die zappelnden Kinder, die fragen, wann sie wieder nach draußen dürfen. Es fehlte mir die vollbesetzte Kirche an Weihnachten. (Das Krippenspiel, habe ich gehört, hat auf dem Schulhof stattgefunden, gleich 2x hintereinander – da habe ich wohl ziemlich was verpasst!).

Es fehlt mir die Freude, wenn sich Menschen aus der Gemeinde getroffen haben und viele miteinander geredet haben. Wenn ein Lächeln in den Gesichtern diese zum Leuchten brachte und die Menschen unbeschwert nach Hause gegangen sind. Es fehlt mir das gemeinsame Singen („wer singt betet doppelt“ sagte schon unser Augustinus).

Zu Silvester hat endlich mal wieder ein ökumenischer Gottesdienst stattge-funden. Die neue Pfarrerin kannte ich ja noch gar nicht, sie ist richtig nett! Die Gemeinschaft mit den Evangelischen fehlt mir.

Das werde ich IHM jetzt mal sagen.

Ich grüße Euch ganz herzlich und freue mich, wenn ich auch weiterhin an eurem Leben teilhaben und Euch unterstützen kann.

Eure Kirchenbank von der ersten Reihe